LGBTQ-Marketing & Pinkwashing: Unser Lunch-Talk mit FAKTOR 3

LGBTQ-Marketing & Pinkwashing: Unser Lunch-Talk mit FAKTOR 3

Wie funktioniert authentisches LGBTQ Marketing – und wie lassen sich Pinkwashing und Szene-Shitstorms vermeiden? Wir haben mit der FAKTOR 3 AG über die LGBTQ Community gesprochen – und über die Herausforderungen für Agenturen im Marketing für die queere Zielgruppe. Wir hatten die wichtigsten Strategien und einige Best Practices im Gepäck.

von | 30. März 2021 | LGBT Marketing, LGBTQ, queer, Trends

Nachhaltigkeit durch LGBTQ Diversity:
SÍSÍ im Talk mit FAKTOR 3

Die FAKTOR 3 AG ist eine Kommunikationsagentur aus Hamburg, die sich auf Public Relations, Werbung und Verkaufsförderung spezialisiert. Im Rahmen einer Nachhaltigkeitswoche, die ökologisch, ökonomisch und sozial aufgestellt war, setzte FAKTOR 3 auch Diversity als wichtigen Baustein für Nachhaltigkeit auf die Agenda – und damit Themen wie gendergerechte Sprache, Women in Business, Barrierefreiheit und auch Marketing für die LGBTQ Community. Operative Exzellenz in der Umsetzung ist eines der Credos von FAKTOR 3. Ein tiefgreifendes Verständnis für die Diversität ihrer Zielgruppen und Nischen-Personas im Targeting, wie z.B. LGBTQ Personen, ist daher Pflicht.

Vor diesem Hintergrund lud FAKTOR 3 uns zu einem Lunch-Talk über unsere Arbeit mit der LGBTQ Community ein. Durch unser Projekt Sissy That Talk sind wir ein aktiver, gut vernetzter Teil der LGBTQ-Szene und sind mit den Bedürfnissen und Themen der Community eng vertraut. Daneben haben wir mit unserer Agentur SÍSÍ in den letzten Jahren viele Diversity-Projekte und -Kampagnen betreut, u.a. für die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, den Völklinger Kreis e.V. und die PrOUT at Work Stiftung. Ob Gay-Party-Großevent oder aufstrebender queerer Künstler – wir durften auch Unternehmen und Einzelpersonen bei Projekten aus der und für die Szene begleiten, vom Brand Building über Online-Marketing bis hin zu Webdesign.

Die zentralen Fragen im Talk mit FAKTOR 3: Wie funktioniert authentisches Marketing für die LGBTQ-Zielgruppe? Und wie kann man Shitstorms und gerade auch den Vorwurf des „Pinkwashing“ vermeiden?

Barilla und die LGBTQ-Community:
Ein Fehltritt mit Folgen

Das schlimmste Negativ-Beispiel der letzten Jahre im Bereich LGBTQ-Marketing betraf aus unserer Sicht Barilla: Der Konzernchef hatte 2013 in einem Radio-Interview den Auftritt von Regenbogenfamilien in Werbespots für seine Pasta abgelehnt und sich gegen die Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare ausgesprochen. Es kam zum Shitstorm, in der Szene wurde ein Boykott ausgerufen – und Barilla hatte durch einen einzigen Fehltritt seinen Ruf als homophobes Unternehmen weg: Wahrlich ein Worst Case für Diversity-Marketing. (Ein Partner von SÍSÍ kauft bis heute keine Barilla-Pasta!). Konnte Barilla sich davon je wieder erholen? Dazu unten mehr.

Eins ist sicher: Eine fadenscheinige Pride-Kampagne mit Regenbogen-Pasta hätte Barilla direkt danach mehr geschadet als genutzt – denn das wäre ein offensichtlicher Fall von Pinkwashing.

Was ist Pinkwashing?

Pinkwashing beschreibt Marketing-Maßnahmen, die rein oberflächlich die queere Zielgruppe ansprechen sollen (z.B. durch die Regenbogenflagge oder queere Testimonials), ohne dass die Unternehmen der LGBTQ-Community eine nachhaltige, authentische Unterstützung entgegenbringen. Ziel ist somit Schönfärberei und Gewinnmaximierung. Natürlich reagiert die Szene allergisch darauf, wenn sie nur als Cash-Cow gesehen wird. So kann Pinkwashing dem Marken- und Unternehmensimage genauso schaden wie eindeutig homophobes Verhalten.

7 Faktoren für erfolgreiches LGBTQ Marketing

Damit ein Shitstorm und Pinkwashing-Vorwürfe im Marketing für die LGBTQ-Community gar nicht erst aufkommen, haben wir im Talk mit FAKTOR 3 einige Erfolgsfaktoren für authentische Strategien im LGBTQ-Marketing vorgestellt. Diese setzen bereits beim Leadership-Selbstverständnis und der Organisation des beworbenen Unternehmens an und beinhalten sieben zentrale Punkte für das LGBTQ-Diversity-Management:

  1. Unterstützung durch das Top-Management:
    Die Unternehmensführung steht persönlich und sichtbar hinter der LGBTQ-Community.
  2. LGBTQ als Teil einer größeren Diversity-Strategie mit dem Verständnis „Diversity ist mehr als nur Gender“:
    LGBTQ ist in den Unternehmenswerten und Prozessen verankert und wird mit budgetierten Maßnahmen berücksichtigt, z.B. durch Diversity-Beauftragte.
  3. Firmeninternes LGBTQ-Mitarbeiter*innen-Netzwerk – mit Unterstützung von oben,
    z.B. durch Freistellung für Netzwerkarbeit
  4. LGBTQ-Talentförderung im Unternehmen:
    HR als treibende Kraft für die LGBTQ-Personalentwicklung. Dazu gehört auch die Sensibilisierung der gesamten Belegschaft, um ein diskriminierungsfreies Arbeitsumfeld für LGBTQ zu schaffen.
  5. LGBTQ-relevante Kommunikation:
    Wird nur zur CSD-Saison mit der LGBTQ-Community kommuniziert oder gibt es auch regelmäßige Maßnahmen abseits des Christopher Street Days? Werden die Communities und LGBTQ-Netzwerke in die Maßnahmen-Entwicklung einbezogen? Wichtig hier auch: Gendergerechte Sprache (mit Berücksichtigung der dritten Option!) in interner und externer Kommunikation.
  6. Kooperationen mit der LGBTQ-Community:
    Werden LGBTQ-Organisationen und ihre Ziele unterstützt? Gibt es (ganzjährige) Sponsorings für Community-Projekte?
  7. Supplier Diversity:
    Wird mit LGBTQ-geführten Unternehmen zusammengearbeitet? Achten Lieferant*innen und Partner*innen die Diversity-Unternehmenswerte?

Kann bei all diesen Punkten ein Häkchen gesetzt werden ist Pinkwashing für solche Unternehmen sicher kein Thema, denn ihr Einsatz für Diversity und die LGBTQ Community ist unbestreitbar! Zum tieferen Einlesen empfehlen wir die Guidelines von Prout at Work.

Best Practices gefällig?
Los geht’s:

  • Bosch gewann 2020 den Max-Spohr-Preis für Diversity Management im Schwerpunkt LGBTQ: Diversity ist ein zentraler Unternehmenswert des Traditionsunternehmens, der bewusst gelebt wird. Dazu kommt ein aktives LGBTQ-Netzwerk, das sich der Unterstützung von ganz oben erfreut.
  • Seximus und Homophobie sind große Probleme in der männlich geprägten Gaming-Szene. „Power Your Dreams“ von XBOX DACH ist ein gutes aktuelles Beispiel, wie eine Kampagne Diversity und Offenheit promoten kann: Sie bietet Testimonials von weiblichen und queeren Gamern, die sich für mehr Respekt und Akzeptanz in der Szene aussprechen.
  • Otto setzt auf gendergerechte Sprache und zeigt im Rahmen von „Mach dein Zuhause draus“, dass LGBTQ Diversity nicht immer im Mittelpunkt einer Kampagne stehen muss: Queere Sichtbarkeit kann auch ganz selbstverständlich und „nebenbei“ erzeugt werden, z.B. durch die bloße Präsenz queerer Menschen.
  • Weiteren Input liefert auch der Dax 30 LGBT+ Diversity Index 2020.

Diversity bei Barilla:
Vom Worst Case zum Best Case

Übrigens: Selbst Barilla hat es durch große Anstrengungen im Bereich Diversity geschafft, den damaligen Marketing-GAU einzudämmen und sein Image nachhaltig aufzubessern. Der Konzern setzte einen Chief Diversity Officer ein, um Diskriminierung gezielt zu bekämpfen und Diversity und Inklusion zu fördern – und zwar mit Erfolg: Der Human Rights Equality Index – ein Diversity-Ranking – bescheinigt Barilla nun regelmäßig Höchstwerte. Der Konzern hat sich international zum Diversity Role Model gemustert und das internationale LGBTQ-Netzwerk VOCE ist das größte Mitarbeiter*innen Netzwerk im Unternehmen.

Unsere Rolle als Agentur

Wir als Agenturen greifen zwar nicht direkt in die Unternehmensstrukturen unserer Kundschaft ein, doch können auch wir im Rahmen einer Beratung strategisch mit dem Unternehmen arbeiten und positive Change-Prozesse in Richtung Diversity anstoßen. Zusätzlich sprechen wir bei SÍSÍ die Sprache der Community – unser Vorteil im Marketing für die LGBTQ-Zielgruppe.

Will auch euer Unternehmen mit der queeren Community in Kontakt kommen? Dann sprecht uns an!

sisi agentur kommunikation claudius desanti

Claudius Desanti ist kreativer Kopf und Geschäftsführer bei SÍSÍ – der agentur mit akzent. Folge uns auf LinkedIn!

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