Top LGBTQ Marketing-Kampagnen im November | Best-of 2020

Top LGBTQ Marketing-Kampagnen im November | Best-of 2020

Wir präsentieren die besten Kampagnen im November 2020, die sich an LGBT (lesbische, schwule, bi, trans*) und queere Menschen richteten. Im letzten Monat setzten unter anderem ViiV Healthcare, TV NOW, UFA und die Telekom Akzente in Sachen queeres Marketing und Diversity.

Die Top-Kampagne im November 2020:
#HIVERSITY von ViiV Healthcare

 

„Sozialarbeiter – Ju-Jutsu Athlet – Gin Fan – Pflanzenflüsterer“ steht in türkisen Lettern auf dem Gesicht von Denis. Erst ganz klein auf dem Kinn lesen wir: „HIV-positiv seit 2009“. Daneben Sarah: „Mutter – Weltenbummlerin – Spirituell – Rollerfahrerin“ Und: „HIV-positiv seit 1994“.

Die Gesichter auf dem großflächigen Plakat in der Stuttgarter Ludwigstraße senden die Botschaft: „Weil wir mehr sind als nur HIV-positiv“ – das Motto der Kampagne #HIVersity. Das Pharmaunternehmen ViiV Healthcare, das sich ganz auf HIV-Medikamente konzentriert, hat die Kampagne zusammen mit HIV-positiven Menschen entwickelt. Laut neuesten Zahlen des RKI leben in Deutschland 79.900 Menschen mit einer positiven HIV-Diagnose. 79.900 unterschiedliche Gesichter, Geschichten und  Interessen – die aber viel zu oft dem Label „HIV-positiv“ und den tragischen Bildern von AIDS-Erkrankung und Tod untergeordnet werden.

Hier setzt die Kampagne an: Für die Plakatwerbung wurden sechs Personen fotografiert, die die Vielfalt der HIV-Community repräsentieren. Die Motive zeigen anschaulich, dass heutzutage unter Behandlung ein langes, vielfältiges und erfülltes Leben ohne Abstriche mit dem Virus möglich ist. So wirkt die Kampagne gegen Stigma und Diskriminierung.

Die #HIVersity-Plakatmotive wurden auch als Facebook-Ad ausgespielt.

Das Thema Sexualität ist auf den Plakaten nicht ausgespart – auch das ein Bestandteil der Diversity: So ist Christoph nicht nur „Pädagoge“ und „verheiratet“, sondern auch „sex-positiv“. Vadim präsentiert sich als „IT-Nerd“ und „Naschkatze“ mit dem Beruf „Porn-Actor“. Diese Motive zeigen: Die Nichtübertragbarkeit von HIV unter Therapie ermöglicht heute auch ein freies Ausleben der Sexualität. Das Wissen um die Formel n=n (nicht nachweisbar = nicht übertragbar) wird ebenfalls von der Kampagne vermittelt, z.B. auf der begleitenden Website livlife.com. Die Website versteht sich als Plattform für HIV-positive Menschen mit Informationen und persönlichen Stories.

Auch auf Social Media findet die Kampagne statt: #HIVersity kooperierte z.B. mit dem queeren Influencer Strify, der auf Instagram in einem Foto-Post ebenfalls Beschreibungen in bunter Farbe im Gesicht trägt und zum Welt Aids Tag ein Video zum Thema erstellte.

Teil der Kampagne: Influencer Strify (45.000 Follower) 

Es gibt sogar einen eigens erstellten #HIVersity Instagram-Filter, der Usern ebenfalls unterschiedliche Eigenschaften im Stil der Kampagne ins Gesicht schreibt und als Solidaritätsbezeugung genutzt werden kann: „Prince Charming“-Teilnehmer Bastian Castillo – der sich in der Sendung als positiv geoutet hatte – präsentierte den Filter in einem Video. Auf Facebook wurden die Plakatmotive zudem als Werbevideo ausgespielt und eine Werbepartnerschaft mit dem blu media network eingegangen, das #HIVersity-Inhalte auf seinen Plattformen teilte.

Die Zusammenarbeit mit der HIV-Community, authentische Testimonials, die kombinierte Verbreitung durch großflächige Plakatwerbung und Social Media und schließlich die visuell ansprechende Umsetzung der wichtigen Themen Diversity, HIV-Awareness und Bekämpfung des HIV-Stigmas haben uns bewogen #HIVersity als Kampagne des Monats November zu küren.

Authentisches Testimonial: Bastian Castillo – Teilnehmer der Dating-Show „Prince Charming“ und HIV-positiv – präsentiert den #HIVersity-Instagram-Filter.

Weitere LGBTQ-Kampagnen im November 2020

TV NOW: Auf dem Streaming-Portal TV NOW der Mediengruppe RTL startete bereits im Oktober die 2. Staffel der Dating-Show „Prince Charming“ – eine schwule Variante des Reality-Formats “Der Bachelor”. Ein prestigeträchtiges Format für TV NOW, schließlich hatte die erste Staffel bereits einen Grimme-Preis eingeheimst. Die Show ist Gesprächsthema in der Gay-Community; das zeigt der Erfolg von Recap-Videos wie „Die Krawatte danach“ auf YouTube. Die Sendung stellt also ein kräftiges Zugpferd für den Streamer dar und wurde demnach im November nach der Devise „(gay) sex sells“ auf Social Media beworben, z.B. durch Story-Ads auf Instagram und Video-Ads auf Facebook.

TV NOW positionierte sich dieses Jahr auch mit weiteren queeren Programm-Highlights als zentrale Streaming-Plattform für die deutsche Gay-Community: So wirbt das Seifenoper-Spin-off „Verbotene Liebe – Next Generation“ auf Werbeplakaten gezielt mit der Storyline um das schwule Liebespaar Olli (Jo Weil) und Paul. Bereits im Juni startete „The Diva in me“ – ein Reality-Format, in dem drei deutsche Dragqueens Frauen ein Drag-Makeover verpassen.

Screengrab des Story-Ads für „Prince Charming“ auf Instagram

UFA: Die UFA GmbH produziert die obigen Formate von TV NOW und gehört ebenfalls zur RTL Group. Dazu passt auch die Selbstverpflichtung der Produktionsfirma UFA in Sachen Diversity: Sie strebt an, „die Gruppen Gender, People of Color, LGBTIQ* und Menschen mit Beeinträchtigungen so abzubilden, wie es ihrem Anteil an der Bevölkerung entspricht“. Bis 2024 sollen die Quoten umgesetzt werden. Joachim Kosack, Geschäftsführer bei UFA, erklärt: „Wir haben als Medienschaffende eine besondere Verantwortung und müssen die uns zur Verfügung stehenden kreativen Mittel nutzen, um verantwortlich zu handeln und als Vorbild zu dienen. Wir müssen diskriminierenden Tendenzen entschieden entgegentreten, entsprechende Themen setzen und diese in unseren Programmen sichtbar machen. Diversity ist bei der UFA eine ausnahmslose Voraussetzung für jede Art von Kreativität.“

Hier zeigt sich auch sehr positiv die Bedeutung von Top-Level-Support für das Thema Diversity: „Als erstes deutsches Unterhaltungsunternehmen verpflichten wir uns zu mehr Diversität vor und hinter der Kamera.“, so UFA-CEO Nico Hofmann. Er ist selbst schwul und führt dieses Jahr die Liste der deutschen „Top 100 Out Executives“ an. Ganz aktuell riet er ungeouteten Schauspielern, sich zu outen: „Man kann nur glücklich sein, wenn man zu seiner Sexualität steht und nicht ein falsches Leben aufrecht erhält„.

UFA-CEO Nico Hofmann über die Diversity-Selbstverpflichtung und die Notwendigkeit einer Quote.

DB Schenker hatte im Oktober seine Mitarbeiter*innen aufgerufen, Personen zu nominieren, die sich dieses Jahr besonders für Diversity im Unternehmen eingesetzt haben.

Vom 16. bis 20. November fand dann die jährliche interne Diversity Week statt. Dort bekamen alle Kolleginnen und Kollegen eine Bühne, um ihre Geschichten vorzustellen. So konnten sie präsentieren, wie Chancengleichheit und ein faires Miteinander bei DB Schenker umsetzbar sind.

Ihre Geschichten werden unter dem Hashtag #einziganders über die sozialen Kanäle von DB Schenker geteilt – ein Beispiel rechts (Das einzige, in dem die Dimension LGBTQ eine Rolle spielte, wenn auch leider nur indirekt).

Die Aktion ist eine konsequente Umsetzung der Diversity-Strategie, die bei DB Schenker auf 4 Säulen beruht:

  1. Unterstützung von Frauen darin, Führungspositionen im operativen Bereich einzunehmen, z.B. durch gezielte Mentoring- oder Onboarding-Programme.
  2. Sensibilisierungs-Schulungen für Diversity und Trainings gegen Unconscious Bias.
  3. „Diversity Games“: durch spielerische Aktivität wird der Kulturwandel unterstützt.
  4. Teilen von Success Stories.

Die Telekom schafft es auch in diesem Monat in unsere Liste der besten LGBTQ-Kampagnen mit der Kampagne #DABEI.

Die Telekom kämpft für ein Netz ohne Hass, in dem alle respektvoll miteinander umgehen. Teil der Kampagne sind Kurzvideos, die auf der Zielseite und durch Social Media verbreitet werden. Mit dabei ist auch Jay, der nach seinem Coming-out als transgender Bullying erfahren hat – im wahren Leben wie auch im Netz, wo er auf YouTube und Instagram öffentlich präsent ist. Über Hasskommentare sagt er:

„Die haben jetzt diese Schutzwand Internet und wenn sowas persönlich zu dir gesagt wird, bekommt es nur ein Gruppe mit und nicht gleich die ganze Welt da draußen. Man weiß ja nie, wo bei einem Menschen, auch wenn man nur Spaß macht, seine Grenze ist.“

Ein wichtiges Statement, das die Telekom verbreitet.

Jay, transgender und aktiv auf YouTube und Instagram (@jayravo), berichtet in der Telekom-Kampagne von Cyberbullying.

Gant arbeitete für die neue Kollektion mit Luke Edward Hall zusammen. Der Interior Designer hasst Minimalismus. In seinen Arbeiten schreien grelle Farben, Muster und historische Ornamente um die Wette – das ist total Camp. Wer nicht weiß, was das ist, kann‘s hier nachlesen: Camp – der queere Stil mit dem gewissen Extra.

Im Werbevideo von Gant sehen wir ein schwules Pärchen, das in der britischen Country Side dargestellt wird. Kitschig-romantisch wird die Kollektion beworben, die an den „Dandy“-Stil erinnert.

Schwules Idyll im Spot von Gant.

Gucci: Auch in diesem Monat ist das italienische Modehaus wieder mit dabei. Uns sind gleich zwei queere Kampagnen aufgefallen:

Zunächst die „Ouverture of Something That Never Ended“ – eine queere Kurzfilmreihe von Regisseur Gus Van Sant („My Own Private Idaho“) und Kreativdirektor Alessandro Michele. Die siebenteilige YouTube-Serie unter dem Motto Guccifest folgt der Schauspielerin und Performance-Künstlerin Silvia Calderoni in einem fiktiven Alltag, in dessen Verlauf sie verschiedenen Gucci-Musen, wie Harry Styles oder Billie Eilish, begegnet. Der rote Faden: Das Hinterfragen von Genderrollen und queere Vielfalt.

Episode 1 der queeren Kurzfilmreihe des schwulen Regisseurs Gus van Sant für Gucci.

Außerdem ein Spot für die neue Uhrenkollektion Gucci Grip: In roher 90er-Grunge-Ästhetik, von Gitarrenriffs untermalt, präsentiert Skateboarderin Cher Strauberry ihre Tricks – und trägt dabei ganz casual einige der Gucci-Uhren (Verkaufspreis ab 1.400 Euro). Was nur weiß, wer sich in der Szene auskennt: Cher Strauberry ist trans. Gut finden wir, wie hier mit einer queeren Spokesperson kollaboriert wird, ohne dass deren Queerness im Vordergrund stehen muss. Auch so entsteht Teilhabe und Sichtbarkeit.

Ob die Welt des Skateboarding und Luxus-Uhren aber ein authentischer Match sind – das steht auf einem anderen Blatt. So wird Gucci-typisch auch diese Subkultur ironisch auf ihre ästhetische Oberfläche als Coolness-Marker reduziert – zumindest ist das ziemlich camp und damit auch wieder queer, wenn auch etwas fragwürdig.

Skateboard-Tricks mit Luxus-Uhr: Trans-Ikone Cher Strauberry im Gucci-Ad.

Almdudler bringt eine Diversity-Edition heraus und nutzt dabei das Gendersternchen: Der Schriftzug „Almdudler*in“ ziert eine limitierte Auflage von rund 200.000 Stück. Damit macht Österreichs wohl bekannteste Limonade auf das Thema Sprachsensibilisierung aufmerksam.

„Wir sind der Ansicht, dass alle Menschen gesehen und respektiert werden müssen, denn es gibt schließlich viele verschiedene Lebensrealitäten, Situationen und Erfahrungen in unserer Gesellschaft. Das Leben wäre ja sonst farblos und langweilig.“ sagt der Geschäftsführer dazu.

Die „Almdudler*in“ macht auf geschlechtergerechte Sprache aufmerksam.

Eine süße, wenn auch etwas unbeholfene, Werbung aus dem europäischen Ausland kommt in diesem Monat von der Schweizer Kondommarke Ceylor. In ihrem Spot arbeiten sie mit Marco Tornese zusammen – auch er bekannt aus „Prince Charming“.

Laut Pressemitteilung will Ceylor „humorvoll und einleuchtend“ auf das Paradox hinweisen, dass der Schutz von Haut und Haaren in Alltagsituationen Gewohnheit sei, der Schutz beim Sex jedoch allzu oft vernachlässigt werde. Wir finden den Vergleich mit der Duschhaube zwar weniger einleuchtend, aber ein Schmunzeln hat uns der Spot allemal ins Gesicht gezaubert.

Marco schützt sich, wenn es feucht wird – mit Ceylor-Kondomen.

sisi agentur kommunikation claudius desanti

Claudius Desanti ist kreativer Kopf und Geschäftsführer bei SÍSÍ – der agentur mit akzent. Folge uns auf LinkedIn!

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